Ich renne um mein Leben | 15.01.2017 - Teil 1 | Namibia Diary 2017

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Sonntag, der 15. Januar 2017

Okutala NamibiaHeute Morgen steckt uns die gestrige Nacht noch ein bisschen in den Knochen. Der Stromausfall hat uns eiskalt erwischt und unser Gedanken- Karussell angekurbelt. Im Dunkeln lagen wir noch eine Weile wach und haben spekuliert, was wohl mit den Elektrozäunen passiert, wenn der Strom nicht mehr funktioniert. Ob unsere Raubkatzen über Nacht ausgebrochen sind? Glücklicherweise ist das Licht im Laufe der Nacht wieder angegangen, somit war der Stromausfall nicht von allzu langer Dauer.

Heute ist Sonntag, wir dürfen ausschlafen! Frühstück gibt es erst um 08:00 Uhr. Trotzdem bin ich wieder vor dem Weckerklingeln wach und setze mich um 07:00 Uhr auf meinen morgendlichen Stammplatz auf dem Deck. Gesellschaft leisten mir diesmal Giraffe JJ, die ihre erste Frühstücksrunde dreht und Nashorn Dan, der sich die Luzern-Reste vom Vortag schmecken lässt. Eine Weile beobachte ich die schönen Tiere, dann greife ich zu meinem aktuellen Buch. In diesem Moment ahne ich noch nicht, dass mir mit beiden Tieren im Laufe des Tages noch ein ganz besonderes tête-à-tête bevorsteht. Zum Frühstück gönne ich mir heute meine gewohnte Portion Müsli mit Joghurt und Melone sowie ein Käsebrot. Nach der Stärkung machen wir uns zu dritt auf den Weg in den Prep, um das Obst und Gemüse zu schneiden. Als wir damit fertig sind, rühre ich die vier Liter Milch für die kleinen Giraffen an und fülle sie in zwei große Plastikflaschen. Diese, einen kleinen Eimer mit Kameldornschoten sowie pro Nashorn einen Eimer Trockenfutter nehmen wir mit Richtung Wasserloch. Wie zutraulich die kleinen Giraffen in der kurzen Zeit schon geworden sind. Gierig nuckeln sie die warme Milch aus den Flaschen und auch von den Schoten können sie nicht genug bekommen.

Okutala Namibia
Frühstück bei den Baby-Giraffen
Da die Teamaufteilung gestern sehr gut geklappt hat und wir alle sehr glücklich mit unseren Aufgaben sind, machen sich Alana und Fiona auf den Weg zu den Vögeln und ich steige zu Josua auf den Pick-up. Unsere erste Station ist wieder das Wasserloch, an dem wir noch die Luzernballen abladen müssen. Irgendwas scheint in der Luft zu liegen, denn die Stimmung unter den Dickhäutern ist aufgeheizt. Insbesondere Bulle Noah scheint mit dem falschen Fuß aufgestanden zu sein. Es scheint ihm nicht schnell genug zu gehen, denn er nähert sich mit gesenktem Kopf dem Pick-up. Schnell werfe ich die Luzerne hinunter, doch Noah bleibt unbeeindruckt. Als er nur noch wenige Zentimeter entfernt ist, weiche ich auf die andere Seite der Ladefläche zurück. Und dann passiert etwas unglaubliches. Noah schiebt sein Horn unter das Auto und lupft es an. Nur ein bisschen, doch genug, um seine Warnung zu verstehen. Hätte er gewollt, dann wäre es eine Leichtigkeit für ihn gewesen, dem Auto Schaden zuzufügen. Der „höflichen“ Bitte des Nashorns kommen wir sofort nach und verschwinden. Der absolute Wahnsinn! Was für ein Erlebnis!

Bei den Pferden und den Straußen geht es wesentlich entspannter zu. Doch auf dem Rückweg zur Lodge treffen wir einen weiteren tierischen Bewohner, der es auf Konfrontation angelegt hat. Giraffe JJ lungert vor der Big Aviary herum. An und für sich kein Problem, doch drinnen stehen Alana und Fiona. Sie winken und trauen sich nicht heraus. Vor unserem fahrenden Auto hat JJ dann doch etwas mehr Respekt, als wir uns nähern. Sie schlendert davon. Schnell steigen Alana und Fiona auf. Gemeinsam düsen wir den kurzen Weg zu den Ziegen. Hier heißt es wieder: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen – oder übersetzt: Erst melken, dann füttern! Als alle Ziegen gemolken und das Futter verteilt ist, bringen wir zu Fuß die Ziegenmilch in den Prep-Room. Würden wir sie auf dem Pick-up transportieren, würde der randvolle Eimer sicherlich überschwappen. Gemächlich machen wir uns auf den Weg, doch wir haben die Rechnung ohne JJ gemacht. Heute scheint sie ganz besonders anhänglich und neugierig zu sein. Also legen wir einen Zahn zu. Fiona und Alana bringen direkt einen Baum zwischen sich und die Giraffe. Ich entscheide mich dazu, schnell die Milch in Sicherheit zu bringen. Der Eimer ist schwer und JJ weiß wie gut Milch schmeckt. Schnellen Schrittes entferne ich mich von ihr und JJ scheint tatsächlich mehr Interesse an den hinter dem Baum in Deckung gegangenen Mädels zu haben. Gut, dass Josua in der Nähe ist. Er hat Fiona und Alana entdeckt und nähert sich lautstark mit dem Pick-up. JJ nimmt natürlich Reißaus und galoppiert los. Blöd nur, dass Josua MICH nicht gesehen hat und JJ nun direkt und mit einem Affenzahn auf mich zuläuft. Ich nehme die Beine in die Hand und laufe um mein Leben. Keine Ahnung, woher plötzlich Kraft und Geschwindigkeit kommen. So schnell ich mit dem schweren Eimer kann, rase ich auf den Prep zu, den Giraffenatem im Nacken kann ich förmlich spüren. Doch ich schaffe es, die Milch und mich in Sicherheit zu bringen. Im Prep schnappe ich nach Luft und schüttel mich schließlich vor Lachen, als auch die Mädels ankommen. Es muss verdammt lustig ausgesehen haben, wie ich, voller Panik, vor JJ davongerannt bin. Sowas kann man auch nur in Afrika erleben. Damn! Das war knapp und doch unvergesslich. Nun bin ich wach! Natürlich entschuldigt sich Josua sofort. Er dachte, ich sei bei Alana und Fiona. Erst Noah und jetzt JJ! Was für ein Morgen! Und dass am Sonntag!

Okutala Namibia


Okutala Namibia
JJ auf Kuschelkurs mit Fiona
Genug Aufregung für heute, beschließen wir. Tja, dass ein weiterer Schock-Moment auf uns wartet, wissen wir noch nicht. Jetzt geht es erstmal zu den Elefanten. Auch wenn heute Sonntag ist und wir „frei“ haben, müssen die Tiere natürlich gefüttert werden. Es stehen aber keine weiteren Arbeiten an. Bei den Elefanten zählt aber auch das tägliche Misten zum Füttern dazu, also Ärmel hochgekrempelt (soweit das eben bei T-Shirts möglich ist) und los geht’s. Zwischendrin müssen wir eine Pause einlegen, denn es werden neue Bäume geliefert. Ja, ihr lest richtig. OK, keine großen Bäume, aber eben doch ordentlich Gesträuch und Äste. Die riesige Futterladung wird direkt in eines der zwei Gehege gefahren und abgeladen. Die Elefanten tröten und werden unruhig. Auf der einen Seite mögen sie das große Gefährt nicht, auf der anderen Seite warten sie ungeduldig darauf, sich endlich über die vielen Blätter und Äste hermachen zu dürfen. „Davon wird heute Abend nicht mehr viel übrig sein“, prophezeit Simone.

Namibia Okutala
Aufgeregte Elefanten-Kids
Aufgrund der Baum-Lieferung brauchen wir länger als geplant. Trotzdem ist Pfleger Jakob, der heute aus seinem Urlaub zurückgekehrt ist, zu Scherzen aufgelegt. Er spricht zwar weder deutsch noch englisch, aber wie man uns erschrecken und ärgern kann, das weiß er ganz genau. Es ist brütend heiß und doch haben wir jede Menge Spaß!
Völlig KO schleppen wir uns kurz nach 13:00 Uhr zum Mittagessen. Heute gibt es Fisch und Pommes. Anschließend bewaffnen wir uns alle drei mit unseren Büchern und suchen uns ein schattiges Plätzchen am Pool. Den Nachmittag verbringen wir lesend. Um 15:00 Uhr werden wir mit einem knall-pinken Kuchen und Kaffee verwöhnt. So genial wie der Kuchen aussieht, schmeckt er auch.

Pünktlich zum Beginn der Fütterungsrunde um 16:00 Uhr beginnt es zu regnen. Ein lauter Donnerschlag erschüttert die Lodge. Wir freuen uns über die dringend nötige Abkühlung. Der Regen prasselt hinab. Anstatt uns zu verbarrikadieren, schnappen wir uns die Futtereimer und laufen los. Klitschnass besuchen wir die kleinen Giraffen, die Meerschweinchen und Ratten, die Füchse, die Vögel und die Ziegen. Die Mangusten scheinen sich bei dem Regenguss lieber zu verkriechen.
Auf dem Rückweg von den Ziegen nehme ich meine Brille ab, denn es regnet noch immer. Den Weg zum Prep finde ich auch so. Gleich sind wir da. Doch… was ist das? Abrupt bleibe ich stehen. Mein Körper scheint schneller zu schalten als mein Hirn. Alana läuft beinahe in mich hinein, Fiona, die vor mir läuft, bemerkt mein Bremsen nicht. „Nashorn“ ist das einzige, das ich sagen kann. Nun bleibt auch Fiona stehen. Eine gefühlte Ewigkeit starren wir Dan an, der nur wenige Meter direkt vor uns steht. Direkt vor dem Prep. Auf dem Fußweg. Und er starrt zurück…

Endlich löst sich die Schockstarre. Ohne den Nashornbullen aus den Augen zu lassen, stolpern wir ins Unterholz. Mitten durchs Gebüsch bahnen wir uns einen Weg Richtung Car-Park. Dort suchen wir, mit klopfenden Herzen, hinter den Fahrzeugen Schutz. Alter Schwede! Eine völlig surreale Situation. Aug in Aug mit einem Nashorn. Ohne Zaun. Ohne Mauer. Nur wenige Schritte von uns entfernt. Hallo Afrika! Die Entscheidung, was wir jetzt machen sollen, wird uns kurze Zeit später abgenommen.

Fortsetzung folgt… am nächsten Freitag!
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